Nachrichten vom Heizprofi zum Thema Strom für die Energiewende
Spätestens seit dem letzten Jahr wissen wir, dass Energie ein knappes Gut ist. Mit teils drastisch höheren Preisen für Benzin, Diesel, Erdgas, Heizöl, Strom und mit Sparappellen ist auch die Schweiz betroffen. Gleichzeitig findet eine Verlagerung statt: weg von fossilen Energieträgern und hin zu elektrischem Strom. Mit der Energiewende wird die Nutzung eines massiven Energiesparpotenzials möglich. Dennoch wirft die aktuelle Situation ein paar Fragen auf – beispielsweise nach den richtigen Massnahmen, um die Gebäudeenergieeffizienz zu verbessern. Auch dürften sich viele fragen, wie viel Mehrverbrauch die Dekarbonisierung nach sich zieht und wie eine allfällige Stromlücke geschlossen werden kann. Gut, dass es darauf Antworten gibt.
Photovoltaikanlagen und Wärmepumpen boomen. Auf Schweizer Strassen rollen immer mehr Elektrofahrzeuge. Die Energiewende ist also in der Schweiz deutlich sichtbar. Doch seit ein paar Monaten sind zu diesem Thema dunkle Wolken aufgezogen. Befürworter der Energiewende begrüssen, angesichts klimapolitischer Gesichtspunkte, die massiv gestiegenen Preise für fossile Energieträger. Teures Heizöl oder Gas konnte den ein oder anderen Eigenheimbesitzer tatsächlich zum Ersatz seiner Heizung durch eine umweltfreundliche, elektrisch betriebene Wärmepumpe motivieren. Ebenso zeigt die Entwicklung der vergangenen Monate, dass es um die Versorgungssicherheit, in Bezug auf fossile Energieträger, überhaupt nicht gut bestellt ist. Autoritär geführte Staaten nutzen Energie als politisches Druckmittel oder gar als Waffe. Die Energiekrise macht nicht einmal vor der als zuverlässig geltenden Elektrizität halt. Seit ein paar Monaten werden wir hierzulande regelmässig mit Begriffen wie «Strommangellage», «Stromlücke» oder gar «Strom-Kontingentierung» konfrontiert. Auch mit Bekanntwerden teils empfindlicher Strompreiserhöhungen kommen Fragen hinsichtlich des Ersatzes von Erdöl und Erdgas durch Strom auf. Das Thema «Energieverfügbarkeit», aber auch Sorgen bezüglich Heizkosten beschäftigen derzeit die Schweiz. Mancher Hauseigentümer dürfte sich derzeit fragen: «Wie kann ich möglichst effizient heizen und gleichzeitig meine Kosten für Heizwärme und die Warmwasseraufbereitung senken?»
Hier ist es wichtig, zu wissen, dass die Energiewende auch auf dem Ersatz fossiler Energie mit elektrischer Energie basiert. Deshalb muss man sich die Frage stellen, ob die Energiewende bei Risiken von Strommangellagen überhaupt gelingen kann, respektive was getan werden muss, um allfällige Stromlücken zu schliessen?
Weg von fossilen Energieträgern hin zu riesigem Energiesparpotenzial
Wenn in der Schweiz von der Energiewende die Rede ist, müssen unweigerlich die grössten Verbraucher fossiler Energieträger betrachtet werden. Heizen und Autofahren verantworten je rund 40 % des schweizerischen Verbrauchs von Erdöl und Erdgas. Infolgedessen liegt in diesen Bereichen sehr grosses Energiesparpotenzial. Dieses Energiesparpotenzial ist bislang unterschiedlich ausgeschöpft worden. Aufgrund der Tendenz zu immer grösseren und schwereren Fahrzeugen, die oftmals mit nur einer Person besetzt sind und zu 85 % auf Fahrten von weniger als 5 Kilometern eingesetzt werden, ist der Verbrauch von Benzin und Diesel konstant geblieben. Diese Zahlen kommen trotz zunehmender Elektrifizierung der Autos und effizienterer Verbrennungsmotoren zustande. Das bedeutet immenses Energiesparpotenzial bei einer Verhaltensänderung der Automobilisten. Immerhin ist der Verbrauch fossiler Energie fürs Heizen innerhalb des letzten Jahrzehnts um etwa 25 % zurückgegangen. Möglich gemacht hat dies die energieeffizientere Bauweise von Neubauten. Ein Minergie-Haus benötigt, im Vergleich mit einem 1970 gebauten Haus, ungefähr sechsmal weniger Energie. Doch das Potenzial ist noch längst nicht ausgeschöpft. ETH-Professor Anton Gunzinger, ETH-Professor und Elektroingenieur verweist auf den energetischen Sanierungsbedarf des Immobilienparks. Gunzinger beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema «Energiewende». Mit fundierten Berechnungen belegt er, wie die Schweiz ihren Energieverbrauch bei gleichbleibendem Lebensstandard reduzieren kann. Er sagt: «Die Herausforderung besteht in der Renovationsrate der rund 73 % Altliegenschaften; hier sind wir mit etwas mehr als 1,1 % pro Jahr unterwegs.» Ohne Änderung dieser Rate dauert es somit noch beinahe 70 Jahre bis alle älteren Bauten renoviert sind.
Mit der Wärmepumpe energieeffizient und umweltschonend heizen
Mit der besseren Dämmung der vielen älteren Immobilien könnte noch eine Menge Energie eingespart werden. Von zentraler Bedeutung ist der Ersatz eines fossil betriebenen Heizsystems mit einer Wärmepumpe. Dies ermöglicht eine signifikante Verringerung des Energiebedarfs. Mit der Heizöl- oder Erdgasersparnis geht eine bedeutende Reduktion des CO2-Ausstosses einher. Pro 1’000 Liter eingesparten Heizöls wird unsere Umwelt um 2,65 Tonnen weniger mit Kohlenstoffdioxid belastet. Zudem benötigt ein mit einer Wärmepumpe aufgeheizter Boiler für die Warmwasseraufbereitung drei- bis viermal weniger Strom als ein herkömmlicher Elektroboiler mit Widerstandsheizung. Das Bundesamt für Energie setzt, zur Erreichung der energie- und klimapolitischen Ziele, nicht von Ungefähr auf die Wärmepumpe. Der Bestand an Wärmepumpen soll in den nächsten Jahren markant zunehmen: auf 600’000 Anlagen. Eine Folge davon wird eine Erhöhung des Stromverbrauchs sein. Anton Gunzinger rechnet vor: «Würden alle Häuser der Schweiz saniert und mit Wärmepumpen betrieben werden, so hätte das eine deutliche Reduktion an Terawattstunden (TWh) zur Folge: von momentan fossilen 58 TWh auf etwa 6 TWh elektrische Energie.» Trotzdem kann es widersprüchlich klingen, mehr Strom zur Produktion von Heizwärme und Warmwasser einzusetzen – insbesondere vor dem Hintergrund von Strompreisentwicklung und Sensibilisierungskampagnen zum Stromsparen. Hier ist zu berücksichtigen, dass mit dem Ersatz einer Ölheizung durch eine Wärmepumpe die direkte Abhängigkeit vom unberechenbaren Ölpreis entfällt. Zusätzlich lässt sich eine Wärmepumpe mit einer Photovoltaikanlage kombinieren. Auf diese Weise lässt sich eine Wärmepumpe mit kostengünstigem, selbst produziertem, Strom betreiben.
Erneuerbare Energien gegen die Stromlücke
Anton Gunzinger hat sich bewusst mit dem Mehrverbrauch von elektrischem Strom befasst – bedingt durch den Umstieg von fossilen Energieträgern auf Elektrizität. Er gibt zu bedenken, dass der jährliche Stromverbrauch in der Schweiz in den letzten rund zwanzig Jahren beinahe konstant 60 TWh betragen hat. Stromeffizienzgewinne haben den Mehrbedarf aufgrund von Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum ausgeglichen. Bei seinen Kalkulationen zur Energiewende kommt der Elektroingenieur auf ein überraschendes Ergebnis: «Am Ende der Transformation «von fossil auf erneuerbar» werden wir weiterhin jährlich 60 bis 70 TWh elektrische Energie benötigen – trotz der höheren Elektrifizierung.» Selbst wenn der Stromverbrauch im Idealfall somit kaum steigen würde, entsteht durch die Abschaltung der Atomkraftwerke eine potenzielle Stromlücke von 20 TWh pro Jahr. Anton Gunzinger ist auch Autor des Buches «Kraftwerk Schweiz». Darin setzt er, für die Deckung des Jahresbedarfs an Strom, auf den Einsatz erneuerbarer Energien: «Die bestehenden Speicher- und Pumpspeicher-Werke können dabei elektrische Energie jederzeit sicherstellen. Dies ist durch die Zusammenarbeit mit den Flusskraftwerken, Sonnen- und Windkraftwerken und den Biogasanlagen, auch unter herausfordernden Witterungsverhältnissen, möglich.» Um dies auch für die Schweiz möglich zu machen, bedarf es hierzulande noch einiger Veränderungen. Was zum Beispiel die Windenergie betrifft, hat die Schweiz, auch im internationalen Vergleich, Aufholpotenzial. Während in der Schweiz gerade mal Windkraftanlagen mit einer Leistung von 75 Megawatt (MW) installiert sind, stehen in Österreich Windräder mit einer Leistung von 3’000 MW. Diese Leistung würde, laut Gunzinger, auch die Schweiz benötigen. Der Ausbau erneuerbarer Energien ist also nicht nur zur Strombedarfsdeckung notwendig und ökologisch vorteilhaft, sondern erhält auch in Krisenzeiten besondere Bedeutung: «Erneuerbare Energie macht uns unabhängiger vom Ausland», so ETH-Professor Anton Gunzinger.
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